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ArtificialStupidity - Künstliche Dummheit


Wie sich der Herr Hensel im rechten Blätterwald verirrte

“Schuster, bleib bei deinem Leisten”, heißt ein altes Sprichwort. Schauspieler und Comedians sollten nicht singen, Sänger nicht schauspielern, Marketing-Strategy-Directors sollten keinen Medienkrieg auf Basis vorschneller Werturteile anzetteln. Das ist nur mein persönlicher (unvollständiger) Wunschzettel, meine Utopie, denn jeden Tag passieren solche Dinge wieder und wieder.

Da schreibt z.B. der Herr Gerald Hensel, Politologe und Digitalstratege, Strategy Director bei der Firma Scholz & Friends (die Beziehung zu Scholz wird vom ihm selbst explizit betont) auf seiner privaten Homepage DavaiDavai.com [1] (z.Z. offline, aber nur echt mit dem roten Sowjet-Stern) am 23.11.2016:

[Bild: Pegida-Demo]

KEIN GELD FÜR RECHTS. LASST UNS RECHTSRADIKALEN MEDIEN DEN GELDHAHN ZUDREHEN

Es gibt bekanntlich viele Gründe, warum die Neue Rechte so einen Siegeszug feiert.

Zumindest kommunikativ ist die Dominanz rechter Bot-Systeme und Fake News Mikro-Medien einer der vielen Gründe dafür. Während sich die bräsige, arrogante Liberal-Elite ich mein Info-Bedürfnis z.B. mit meinem ZEIT- oder meinem Le Monde Diplomatique-Lügenpressen-Abo abdecke, informiert sich der wackere neurechte Freiheitskämpfer gerne über Online-Medien wie die “Achse des Guten” oder “Breitbart News”.
[…]
Was die Salon-Faschos bald in Deutschland vorhaben, kann man in diesem Video sehen, das sie als Content-Produzent für die Identitäre Bewegung produziert wurde. Aber Breitbart ist nur ein Teil des Problems.
[…]
Frag doch gerne mal bei einer bekannten Marke, die du auf einschlägigen rechtsradikalen Seiten findest, nach, ob sie wissen, wo sie werben. Ein Tweet, eine Facebook Nachricht oder ein E-Mail: manchmal wirken sie Wunder. Solltest du dies über Twitter oder andere soziale Medien tun, kannst du an deinen Tweet gerne den Hashtag #KeinGeldFuerRechts anhängen. Dann kann man das schön aggregieren.

Schon in der Überschrift wird mit der Formulierung “LASST UNS RECHTSRADIKALEN MEDIEN …” klar der Kontext “rechtsradikale Medien” gesetzt. Wenn dann im zweiten Absatz “der wackere neurechte Freiheitskämpfer” erwähnt wird, der sich “gerne über Online-Medien wie die “Achse des Guten” informiert, gilt hier natürlich die Implikation “Achse des Guten”=> rechtsradikales Medium. Warum er hier die “Achse des Guten” (AdG) sogar voranstellt, obwohl im weiteren Text nur von Breitbart und den Identitären die Rede ist, und sonst keinerlei Sachargumente vorgetragen werden, warum gerade AdG ein rechtsradikales Medium sein soll, bleibt Herrn Hensels Geheimnis. Weiterhin spekuliert er, was die “Salon-Faschos” alles so vorhaben.

Ganz schön deftige Worte. Klar, wenn man den ganzen Tag nur von Werbestrategen und anderen halbgebildeten Irrlichtern umgeben ist, die sich gegenseitig ständig ihre Großartigkeit bestätigen, kann man schon ein Defizit an akademischer Debattentechnik entwickeln. Ich glaube, dass ein dramatischer Verlust an Realitätssinn in der Werbebranche eine Grundvoraussetzung ist, um arbeiten zu können, denn manchmal frage ich mich, ob die Produkte wirklich wegen der Werbung oder trotz der Werbung verkauft werden. Aber lassen wir das.

Schauen wir doch mal beim Verfassungsschutz nach, da steht [2]:

In der Praxis des Verfassungsschutzes werden folgende Merkmale als Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen gewertet. Diese werden in der Literatur als kennzeichnend für ein rechtsextremistisches Weltbild aufgeführt:

  • ein aggressiver Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten und der andere Nationen als “minderwertig” betrachtet,
  • der Wunsch nach einer Volksgemeinschaft auf “rassischer” Grundlage, die die Rechte des Einzelnen beliebig einschränkt und der pluralistischen Gesellschaft das Modell des “Volkskollektivismus” (“Du bist nichts, Dein Volk ist alles”) entgegensetzt,
  • Antipluralismus
  • eine aggressive, extrem gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis einer Wiederbelebung rassistischen und damit verbunden antisemitischen Gedankenguts
  • der Wunsch nach einem “Führerstaat” mit militärischen Ordnungsprinzipien (Militarismus)
  • Relativierung oder sogar Leugnung der Verbrechen des “Dritten Reiches” und damit verbunden eine Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus und
  • eine ständige Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten.

Das einzige Kriterium, dass man hier auch nur in Ansätzen als für die AdG zutreffend betrachtet werden könnte, wäre die “Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten”. “Ständige Diffamierung” passt auch schon wieder nicht, denn es wird in der Regel unter Zuhilfenahme von Argumenten kritisiert und nicht “diffamiert”. Dies passiert auch nicht ständig. Als polemische Anmerkung: Die kritisierten Personen diffamieren sich in der Regel auch schon ohne Hilfe der AdG.

Sehen wir uns noch mal eine alternative Rechtsextremismus-Definition aus [3] an:

Unter ‘Rechtsextremismus’ verstehen wir die Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklaration ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung rückgängig machen wollen.

Man sollte vor diesem Hintergrund mal die Artikel der “Achse” überprüfen. Der Vorwurf des Rechtsextremismus gegenüber der “Achse des Guten” ist völlig absurd und mit dieser Meinung stehe ich nicht allein [5]. Es geht dort ordentlich polemisch und auch liberal-konservativ zur Sache, aber rechtsextrem? “No Way”, wie man als PR-Mann Hensel sagen würde.

Wenn das argumentativ bei Herrn Hensel recht dünn ist, warum hat er im Zeitalter von “Hatespeech” keine Angst vor Heiko Maas, Anetta Kahane, ihrer Truppe und vor allem vor dem § 186 StGB:

§ 186 StGB: Üble Nachrede

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

In Bezug auf Breitbart versucht Hensel ja noch ansatzweise zu argumentieren, bei der Achse stellt er den Namen in den Kontext Rechtsextremismus und damit ist er fertig. Aber Namen wie Broder, Heinsohn, Lengsfeld, Steinhöfel, Seitz, Weißgerber, Ebert u.v.a.m. in den Kontext von Rechtsextremismus zu setzen, ist m.E. einfach nur selten dämlich. Bei den “antifaschistischen Kadern” war dies aber auch ein bewährtes Mittel zur “Zersetzung”.

In einem Interview mit dem Stern am 15.12.2016 [4] übt Hensel nun “Selbstkritik”:

Frage: In einem langen Text über Ihre Aktion stellen Sie den von Henryk M. Broder betriebenen Blog allerdings in einen Kontext mit “Breitbart” und “Pi-News”. Warum haben Sie das gemacht?

Hensel: Ganz einfach, weil ich manchmal ein naiver Idealist bin. Ich bin ein Mensch, der eine Idee hatte. Ich habe einen definitiv nicht rechtsicheren [sic] Text geschrieben. Dennoch haben sich diese Leute demaskiert und gezeigt, wer sie wirklich sind.

Na ja, Selbstkritik geht eigentlich anders:

Frage: Wenn Sie die Uhr um zwei Wochen zurückdrehen könnten: Würden Sie etwas anders machen?

Hensel: Nein, als Mensch, der ich bin, habe ich Fehler gemacht. Aber auch die würde ich noch einmal so machen [Anm: Vorsätzlichkeit] . Einfach weil ich ein Mensch bin.

Frage: Wie war die Resonanz auf die Aktion?

Hensel: Die negative Resonanz habe ich beschrieben: Seit sieben Tagen stehe ich unter Dauerfeuer von populistischen und rechten Blogs, die täglich mit mehreren Artikeln in einer sehr systematischen Weise gegen mich persönlich schießen. Mein Arbeitgeber und ich werden mit den absurdesten Vorwürfen konfrontiert.

Und er tut es schon wieder: “populistischen und rechten Blogs”, “systematischen Weise”, “gegen mich persönlich” => konzertierte Aktion von rechts. Meine Güte, es ist fast wie bei Kim Kardashian: Man ölt sich den Hintern ein, postet das Bild auf Facebook und erwartet dann die ehrfürchtigen und kultivierten Reaktionen darauf, z.B. “Oh, wie schön!”. Wenn’s nicht persönlich werden soll, muss man so was ja nicht auf einer privaten Seite lostreten, man macht eine Aktionsseite und versteckt sich in der Anonymität. Aber so bescheiden ist der Herr Hensel einfach nicht, er möchte doch gern den ganzen Ruhm Rummel.

Die “Aktion Hensel” ähnelt vom Prinzip her dem klassischen Internet-Pranger wie z.B. RottenNeighbour (lange Zeit zum Glück von der Bildfläche verschwunden, leider mittlerweile in Neuauflage wieder online). Beliebige Personen können, nach Hensels Vorschlag, mit ihren Anfragen bei den Werbern die von ihnen subjektiv als rechts eingeschätzte Internetseiten brandmarken. Natürlich ist es die Sache des Werbetreibenden, den Vorwurf zu prüfen, aber in der Regel reicht schon der Verdacht – wie man im Fall der AdG (Kündigung der Werbung) sehen konnte – denn der Werbetreibende versucht in jedem Fall nicht mit rechtem Gedankengut in Verbindung gebracht zu werden und dazu reicht ja in der Regel schon der Verdacht.

Nochmal:

  • Die Einschätzung als “rechts” basiert allein auf dem subjektiven Empfinden von Einzelnen, es werden keine objektive Kriterien definiert, was “rechts” sein soll
  • Der Werbetreibende steht unter psychologischem Druck nicht mit “rechts” in Verbindung gebracht zu werden
  • Der Verdacht reicht schon aus, um schädigenden Einfluss auszuüben (Bildzeitungseffekt)

Der Internet-Pranger ist eine Antastung des verfassungsmäßigen Grundrechts der Menschenwürde, da sind sich die Juristen weitgehend einig, obwohl es in den USA z.B. Internet-Pranger für pädophile Straftäter gibt. Aber bei uns gilt:

GG §1.1 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Dieses Grundrecht gilt bekanntlich für alle Menschen und eben damit auch für rechtskonservative Menschen. Wer Menschen die Würde absprechen will, sollte sich die Definition von Rechtsextremismus mal unter diesem Gesichtspunkt durchlesen (z.B. Wertepluralismus) und sich dabei an die eigene Nase fassen.

China 1875

Herr Hensel ist ja nicht der einzige mit schwarzen Listen, das Netz-Gegen-Nazis.de hatte auch eine (mittlerweile “unter Vorbehalt” zurückgezogene) schwarze Liste mit “rechten” Internetpräsenzen auf denen sich Broders Achse und Vera Lengsfelds Blog befanden. Welch ein Zufall, die Agentur Scholz & Friends, also der (ehemalige) Arbeitgeber von Hensel, steht auch auf der Seite der Unterstützer vom Netz-Gegen-Nazis: http://www.netz-gegen-nazis.de/seite/unsere-unterstuetzer.

Archiv: Screenshot “Achse des Guten” auf Netz-Gegen-Nazis.de, z.Z. zurückgezogen

Fazit: Ich spekuliere mal, Broder hat schon längst seinen Anwalt eingeschaltet, das könnte man aus den Formulierung von Hensel “Ich habe einen definitiv nicht rechtsicheren [sic] Text geschrieben.” folgern. Ein Schaden ist bei Achgut auch schon eingetreten: Der Werbepartner hat sich aus dem Angebot von Achgut zurückgezogen. Megapeinlich finde ich jetzt die Versuche von Hensel (und auch von Scholz & Friends) sich mit seinem fiesen Angriff als Opfer umzudeuteln. In der Welt der Werber funktioniert das (“Ich bin ein Mensch, der eine Idee hatte.”), man muss es nur oft genug wiederholen, bei den anderen funktioniert das aber nur sehr eingeschränkt.

Nachtrag: Dirk Maxeiner hat eine schöne Zusammenfassung der Ereignisse mit vielen verstörenden Hintergrundinformationen auf der Achse veröffentlicht.

Quellen:
[1]  http://www.davaidavai.com/de/2016/11/23/kein-geld-fuer-rechts/   (zur Zeit passwortgeschützt)
[2] vgl. Armin Pfahl-Traughber, Der organisierte Rechtsextremismus in Deutschland nach 1945, in: Wilfried Schubarth, Richard Stöss (Hrsg.), Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Opladen 2001, 71 ff.
[3] vgl. Richard Stöss, Rechtsextremismus im Wandel, Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2007
[4] http://www.stern.de/kultur/gerald-hensel-ueber-rechte-hetze-und–keingeldfuerrechts-7240754.html
[5] https://www.fischundfleisch.com/julbing/meinungsfreiheit-und-die-achse-des-schlechten-29162

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Info:
Wie sich der Herr Hensel im rechten Blätterwald verirrte ist Beitrag Nr. 324
Autor:
Martin am 15. Dezember 2016 um 20:26
Category:
Künstliche Dummheit,Tragische Figuren,Wirre Werber
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