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ArtificialStupidity - Künstliche Dummheit


Heute: Zahlensalat an Coronavirus mit Inzidenzsoße

Viele kennen jetzt die Johns Hopkins Universität, es werden auf ihrer Internetpräsenz seit 22. Januar 2020 sehr aktuelle Informationen zur Ausbreitung des aktuellen Corona-Virus COVID-19 angeboten. Dort sieht man recht übersichtlich die Anzahl positiv getesteter Infektionen, die Anzahl von Toten und die Anzahl der wieder genesenen Infizierten für verschiedene Länder, teilweise nach Regionen differenziert. Tolle Sache. Eigentlich.

Quelle: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html

These: Wenn die Daten nicht in ihrer (mangelhaften) Verlässlichkeit eingeordnet werden, hat man nur ein völlig verzerrtes Bild der Realität.

Fatal, wenn dann auf Basis dieser Daten Entscheidungen getroffen werden. Dabei soll die Idee und Leistung, die hinter dieser Karte steckt, nicht herabgewürdigt werden.

Betrachtung der Zuverlässigkeit und Aussagekraft

Die Daten sollten über eine äquidistantes Messintervall verfügen. D.h. die Daten sollten, wenn sie täglich erfasst werden, immer zum gleichen Zeitpunkt erfasst werden. Das ist hier aber nicht gegeben, da erstmal sowieso in unterschiedlichen Zeitzonen gemessen wird, ferner wurden Daten (z.B. für Italien) mehrere Tage gar nicht aktualisiert, so dass man davon ausgehen muss, dass Daten nachgetragen wurden, d.h. eine Messung enthält die kumulierten Fälle von mehreren Tagen. Das kann man mathematisch aber noch recht einfach kompensieren.

Die Daten sollten in allen Messstellen auf die gleiche Art und Weise gewonnen werden. D.h. standardisierte Messverfahren müssen eingesetzt werden. Das ist hier aber auch nicht gegeben, es ist reiner Bodycount bei den Toten. Wenn die Anzahl Erkrankungen an positiven Tests gemessen wird, fehlt die enorm wichtige Angabe, wie viele Personen insgesamt getestet wurden. Sind die verstorbenen Personen, die überwiegend mehrere Grunderkrankungen hatten, an SARS/Lungenentzündung gestorben oder an einer sich zuspitzenden Grunderkrankung wie Herzinssuffizienz, COPD o.ä.? So sind das lediglich Tote mit einer SARS-COVID19-Infektion, ein ursächlicher Zusammenhang muss gar nicht bestehen. Der ist auch nur durch eine Obduktion zu sichern, die wird aber in der Regel gar nicht durchgeführt.

Es gibt – zumindest in Deutschland und wahrscheinlich auch in vielen anderen Ländern – eine starke Vorselektion der zu testenden Personen: Nur Personen, die sich in Hochrisikogebieten aufgehalten haben oder Kontakt zu getestet Infizierten hatten werden getestet. Der Resourcenmangel ist hier auch für eine Verzerrung verantwortlich, wie bei den Toten. In anderen Ländern (Südkorea, Singapur, …) wird viel intensiver getestet, die Aussagen sind dort wahrscheinlich etwas genauer.  Es müsste eine durch Zufallsauswahl zusammengesetzte größere Gruppe vollständig getestet werden, um zu Ergebnissen zu kommen, die einigermaßen der Realität entsprechen. Selbst dann noch kann es durch die Auswahl durchaus regionale Unterschiede geben, man kann durch die Größe der Gruppe das einigermaßen kompensieren.

Als obere Schranke für die Todesrate kann die Situation auf der Diamond Princess gelten, dort ergab sich in einer abgeschlossenen Gruppe von Personen eine Sterberate bei einer überwiegend älteren Schiffspopulation von ca. 1%. In Deutschland liegt die Sterberate derzeit bei ca. 0.3%, real liegt das irgendwo dazwischen. Da aber in Italien die Sterberate bei beinahe 10% liegt, kann zum einen daran liegen, dass die Anzahl der Erkrankten um den Faktor 28 unterschätzt würde, oder aber dass das Gesundheitsystem schlicht weit über seinen Kapazitätsgrenzen arbeitet und Menschen sterben, weil sie nicht intensivmedizinisch versorgt werden können. Ferner kann auch falsche Methodik in der Behandlung für höhere Sterberaten verantwortlich sein.

Siehe dazu z.B.: https://www.rtf1.de/news.php?id=25284 oder https://www.vpneumo.de/fileadmin/pdf/VPK_Empfehlung_neu_21.03.2020.pdf

Dies ist auch keine vollständige Aufzählung aller damit verbundenen Probleme. Alles in allem sollte man die Rohdaten und den Bodycount also mit äußerster Zurückhaltung betrachten. Es wäre auch fatal, einfach für China anzunehmen, dass das Problem im Griff sei. Der Rückgang der Wachstumsraten könnte z.B. auch auf eine veränderte Informationspolitik zurückzuführen sein.

Die JHU hält sich relativ bedeckt, was ihre Datenquellen angeht und beruft sich überwiegend auf die Angaben Dritter.

What are the sources of data informing the dashboard?
The data sources include the World Health Organization, the U.S. Centers for Disease Control and Prevention, the European Center for Disease Prevention and Control, the National Health Commission of the People’s Republic of China, local media reports, local health departments, and the DXY, one of the world’s largest online communities for physicians, health care professionals, pharmacies and facilities.

Quelle: https://systems.jhu.edu/research/public-health/2019-ncov-map-faqs/

Und weiter heißt es: „Die Johns Hopkins University lehnt hiermit jegliche Zusicherungen und Gewährleistungen in Bezug auf die Website ab, einschließlich der Genauigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und der Marktfähigkeit.“

Exkurs

Auf dem Campingplatz ist Sturm angesagt, das hat sich herumgesprochen. Nicht jedes Zelt ist für den Sturm gebaut, mancher ist auch zu bequem, das Zelt sturmsicher aufzubauen, ist ja die ganze Zeit gutes Wetter gewesen. Also denkt Person A, hau ich lieber mal ein paar Heringe mehr rein und spanne das Zelt besser ab, kann eigentlich nicht schaden. Also fängt A an zu hämmern. Nach kurzer Zeit hämmert jedoch fast der gesamte Campingplatz.

Fazit: Bei unsicheren Prognosen zu einer drohenden Gefahr tendieren Menschen dazu, sich in ihren Maßnahmen an ihren Nachbarn zu orientieren.

Nur mal so angemerkt, zum Nachdenken.

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Info:
Heute: Zahlensalat an Coronavirus mit Inzidenzsoße ist Beitrag Nr. 4527
Autor:
Martin am 31. März 2020 um 16:56
Category:
tückische Statistik
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