Heute analysieren wir mal die Einwanderungsstrategie der neuen politischen Führungselite, wir schauen uns dazu den Entwurf des Koalitionsvertrags einmal genauer an. Die interessante Frage ist, was steckt eigentlich hinter dieser magischen Zahl von 220.000 Menschen. Wir werden versuchen im zweiten Teil diese Zahl etwas mit realem Leben zu füllen.
Teil 1: Die trockenen Zahlen
Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD, Zeile 533ff:
Wir stellen für die Zuwanderungszahlen fest, dass sie basierend auf den Erfahrungen der letzten 20 Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen und den unmittelbar steuerbaren Teil der Zuwanderung die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden
Und in Zeile 529ff:
Steuerung und Begrenzung von Migrationsbewegungen, [durch …] Entwicklungszusammenarbeit, Ausbau humanitäres Engagement, Ausweitung Engagement Friedensmissionen, faire Handelsabkommen, verstärkter Klimaschutz und keine Rüstungsexporte in Krisenregionen.
Quelle: http://www.spiegel.de/media/media-42517.pdf
Wir stellen fest: Dies ist keine Konstruktion einer Obergrenze. Dies ist eine Prognose, dass in der Zukunft nicht mehr als 220.000 Menschen kommen werden, die Verschriftlichung von Hoffnung, also soweit in der aktuellen Politik nichts Ungewöhnliches.
Schauen wir uns mal die Anzahl der Asylanträge (inklusiv ungefähr 3-5% Folgeanträge) der letzten 5 Jahre an.
Jahr | Asylanträge |
2013 | 127.023 |
2014 | 202.834 |
2015 | 476.649 |
2016 | 745.545 |
2017 | 222.683 |
Summe | 1.774.734 |
Schnitt | 354.947 |
Quelle: http://www.bamf.de/DE/Infothek/Statistiken/Asylzahlen/asylzahlen-node.html
Die Asylzahlen sagen aber nichts über den wirklichen Zuzug aus, sehen wir uns also mal die Zuwanderungszahlen der letzten 8 Jahre an (nur Ausländer, aber auch EU):
Jahr | Zuw. | Ausw. | Saldo |
2010 | 683.530 | 529.605 | 153.925 |
2011 | 841.695 | 538.837 | 302.858 |
2012 | 965.908 | 578.759 | 387.149 |
2013 | 1.108.068 | 657.604 | 450.464 |
2014 | 1.342.529 | 765.605 | 576.924 |
2015 | 2.016.241 | 859.279 | 1.156.962 |
2016 | 1.720.190 | 1.085.383 | 634.807 |
2017 | 1.384.018 | 885.460 | 498.558 |
Summe | 4.161.647 | ||
Schnitt | (8 Jahre) | 520.205 |
[Update: 12.10.2022. Einige Zahlen haben sich doch erheblich verändert!]
Jahr | Zuw. | Ausw. | Saldo |
2016 | 1.865.122 | 1.365.178 | 499.944 |
2017 | 1.550.721 | 1.134.641 | 416.080 |
2018 | 1.585.112 | 1.185.432 | 399.680 |
2019 | 1.558.612 | 1.231.552 | 327.060 |
2020 | 1.186.702 | 966.451 | 220.251 |
2021 | 1.323.466 | 994.303 | 329.163 |
Summe | 9.069.735 | 6.877.557 | 2.192.178 |
Schnitt | 1.511.623 | 1.146.260 | 365.363 |
[Update Ende.]
Nun sind wir einigermaßen in der Lage zu interpolieren, wie viele Menschen z.B. in 2015 zu uns gekommen sind. Für 2015 müssen es also minimal 476.649 (nach Asylanträgen) und maximal 1.156.962 (nach Zuwanderung Ausländer) sein, irgendwie so dazwischen. Bei den Asylanträgen sind auch noch die Folgeanträge und die aus 2014 verschleppte Asylanträge dabei, und auch die erst in 2016 gestellten Anträge von im Jahr 2015 Zugereisten verfälschen die Zahl etwas.
Fazit: Auf Basis der Zahl der Asylanträge von 2017 (222.683) ist die Hoffnung einer Zuwanderung von 220.000 Menschen vielleicht sogar gar nicht so unrealistisch.
Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dieser Zahl von 220.000 Menschen?
Teil 2: Kassel bauen
Man muss sagen, unsere Städte haben eine gewisse Reserve in der Aufnahmekapazität. Einige deutsche Städte kämpfen ja sogar mit Abwanderungsproblemen, da kommt ein Zustrom vielleicht gerade zur rechten Zeit. Aber irgendwann werden auch diese Reserven zur Neige gehen, insbesondere der angespannte Wohnungsmarkt ist schon jetzt in einem problematischen Zustand. Wir müssen also neu bauen.
Nehmen wir mal als Beispiel Kassel (https://de.wikipedia.org/wiki/Kassel), eine Stadt in Nordhessen mit 199.062 Einwohnern (Großstadt ab 100.000 Einwohnern), kommt also mit den 220.000 Menschen ungefähr hin. Wir orientieren uns an der Infrastruktur von Kassel, um abzuschätzen, wie viel Infrastruktur wir in einem Jahr zu installieren haben, um unseren Teil der Integrationsaufgabe zu erfüllen.Da wären also:
106.78km² | Bodenfläche (10.678 Hektar) |
23 | Stadtteile |
109.533 | Haushalte |
1.360 | Straßen |
200 | Brücken |
54km | Straßenbahn |
128km | Regio-Bahn |
92.991 | Fahrzeuge |
1 | Flughafen |
14 | Krankenhäuser |
2 | Strafanstalten |
1 | Uni |
1 | Kunsthochschule |
65 | Schulen |
145 | Kitas |
1 | Bahnhof |
1 | Psychiatrie |
13 | Theater |
7 | Museen |
… | usw. usw. |
Man merkt ja schon bei dieser kleinen und naiven Überschlagsrechnung, was da an Anforderung auf die Gemeinschaft zukommt. Aber die Politik hat ja alles im Griff und angesichts der super gut gelaufenen Bauprojekte der jüngsten Vergangenheit, wie Flughafen BER, Elbphilharmonie oder Stuttgart 21, können wir doch sehr optimistisch sein, dass wir das schaffen werden.