Das Paritätsprinzip kennt man aus der Politik, wenn es darum geht, eine kleine Gruppe von Entscheidern so zusammenzusetzen, dass diese die Mengenverhältnisse einer von ihnen vertretenen großen Gruppe anteilig widerspiegelt.
Fragen wir mal Wikipedia:
Als Parität wird in der Politik ein gleichmäßiges Verhältnis von Stimmen in einem Gremium bezeichnet (lateinisch: paritas „Gleichheit, gleich stark“). Ziel einer Parität ist es zu verhindern, dass Gremien durch knappe Mehrheiten dominiert werden oder Minderheiten durch einfache Mehrheitsbeschaffungen ausgeschlossen werden.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Parität_(Politik)
Interessant ist, dass es das Paritätsprinzip mittlerweile ins Zentrum unserer Gesellschaft geschafft hat, immer wieder wird das Argument benutzt, in einer Gruppe seien bestimmte Mitglieder “unterrepräsentiert”.
Männer zu Frauen: Zwei zu eins
Nach der von Furtwängler und ihrer Malisa-Stiftung initiierten und von ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 geförderten Untersuchung der Universität Rostock haben in der heimischen Fernseh- und Kinowelt die Männer das Sagen, Frauen sind in den Hauptrollen im Verhältnis eins zu zwei deutlich unterrepräsentiert. […] Und wenn sie vorkommen, so haben es die Medienwissenschaftler nach der Analyse von rund 3000 TV-Programmen aus 2016 [Anm: Oh, meine Güte, wie grausam ist das denn?] und 1000 Kinofilmen aus der Zeit von 2011 bis 2016 herausgefunden, beschäftigen sich die Darstellerinnen meistens mit Beziehung und Partnerschaft – Stereotype, denen nur schwer beizukommen sei, wie Furtwängler sagte.
Das Paritätsprinzip wird hier im Kontext des Fernsehens völlig unbegründet als gültige Grundannahme gesetzt. Interessant ist, dass es scheinbar einen großen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, dass das Paritätsprinzip hier uneingeschränkt angewendet werden sollte.
Dass sie das Genderthema unterschätzen, wollen sich Private und Öffentlich-Rechtliche auf keinen Fall nachsagen lassen. […] Sie alle sehen Handlungsbedarf, sprechen auch von Fortschritten, wollen in ihren Häusern „Bewusstsein schaffen“. […] Ja, da sei noch viel tun, sagte Hoffmann [Anm: Geschäftsführer von RTL] und nannte als Beispiel die Comedy-Serie „Ritas Welt“. Die Protagonistin sei weiblich, aber eben Verkäuferin und nicht Supermarkt-Besitzerin. […] Nur in Telenovelas und Soaps herrscht weitgehend Geschlechterparität, sonst aber männliche Deutungshoheit. […] Selbst im Kinderfernsehen sind Monster und Tiere meist männlich.
Quelle: oben.
Nur nebenbei bemerkt: Selten dämlich finde ich Hoffmanns Anmerkung zu „Ritas Welt”. Dort geht es ja gerade darum, dass eine selbstbewusste und intelligente Unterschichtfrau dem arroganten Filialleiter und den umherstehenden Männern ständig das Wasser reicht. Also eigentlich ist das doch Feminismus und Marxismus in Reinkultur.
Untersuchen wir aber einmal näher die Intention von Frau Furtwängler, dazu berichtet die Bildzeitung:
„Für mich als kleines Mädchen war es selbstverständlich, mich mit Jungsfiguren zu identifizieren, weil es einfach keine Frauenfiguren als Vorbilder gab“, erklärt Furtwängler. „Deshalb habe ich David Copperfield gespielt und mir Wicki [sic!] zum Vorbild genommen. Mädchen können das, aber Jungs sehen praktisch keine weiblichen Vorbildrollen. Das ist früh gelernt.“
Quelle: http://www.bild.de/unterhaltung/tv/maria-furtwaengler/frauen-kommen-im-tv-zu-kurz-52529596.bild.html
Aha, es geht also um weibliche Vor- und Rollenbilder, die gab es damals in Frau Furtwänglers Kinderwelt noch nicht. Also ist es die Aufgabe des Fernsehens, den frühkindlichen Identifikationsprozess zu bestimmen. Vor allem den der weiblichen Kinder. Also geht es eigentlich um Erziehung, konkret sogar um Umerziehung. Und in dieser schönen neuen Furtwängler-Welt kommen einfache Proletenfrauen gar nicht mehr vor, zu banal. Es gibt ab jetzt nur noch Vorbildfrauen, also Nobelpreisträger*Innen, Gehirnchirurg*Innen, Pilot*Innen, DAX-Unternehmensvorstandsmitglieder*Innen gespielt von vielen, vielen weiblichen Schauspieler*Innen in Hauptrollen.
Bildquelle: Screenshot Facebook Malisa-Stiftung |
Ich will mir auch gar nicht ausmalen, welche verheerenden Folgen Furtwänglers fehlgeleitete Identifikation mit “Copperfield” und “Wickie” in ihrem späteren Leben gehabt hat. Die Biene Maja war zwar zur gleichen Zeit auf Sendung, war Frau Furtwängler aber wahrscheinlich zu sehr Tussi. Vielleicht wäre ja die Spinne Thekla als Rollenvorbild “Powerfrau” geeigneter gewesen.
Meine Frage wäre, warum dann Parität nicht auch in anderen Situationen gilt. Zum Beispiel bei den Mordopfern. Artikel über die UNO-Mordopferstatistik:
Die Auswertung zeigt, dass Männer deutlich häufiger umgebracht werden als Frauen. Rund 80 Prozent der insgesamt 437.000 Opfer von Mord und Totschlag waren männlich. Opfer aus bewaffneten Konflikten und Kriegen wurde nicht mitgezählt.
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/uno-untersuchung-zu-toetungsdelikten-2012-a-963708.html
Um hier Parität herzustellen, müssten also noch 262.200 Frauen mehr umgebracht werden.
Was soll dieses Beispiel zeigen?
Dieses Beispiel enthält die gleichen Denkfehler, wie Frau Furtwänglers Denkansatz oben:
- Die wirklichen Ursachen dieser Unterschiede werden gar nicht betrachtet
und - es wird impliziert, dass das Verhältnis stets paritätisch sein sollte.
Parität ist aber nicht immer sinnvoll. Nichtsdestotrotz sind fleißige Gerechtigkeits-Aktivisten sehr bemüht das Paritätsprinzip auf alle nur denkbaren Situationen auszuweiten, wie z.B. bei den “Oscars” 2016:
Werden schwarze Schauspieler weniger häufig für den Oscar nominiert als weiße? Will Smith ist dieser Meinung. Weitere Darsteller haben sich der Kritik angeschlossen.
[…]
Unter den Oscar-Preisträgern der letzten 20 Jahre lässt sich keine Diskriminierung schwarzer Schauspieler erkennen.
Ausgezeichnet wurden als:
- Männliche Hauptdarsteller: Denzel Washington, Jamie Foxx und Forest Whitaker
- Männliche Nebendarsteller: Cuba Gooding Jr. und Morgan Freeman
- Weibliche Hauptdarsteller: Halle Berry
- Weibliche Nebendarsteller: Jennifer Hudson, Monique Hicks, Octavia Spencer und Lupita Nyong’o.
Von den insgesamt 80 Preisträgern waren zehn schwarz, also 12,5 Prozent. Unter den 48 US-amerikanischen Siegern waren neun Schwarze, was 19 Prozent entspricht und damit sogar über dem schwarzen Bevölkerungsanteil [Anm: von 12,5%] in den USA liegt.
Quelle: https://www.novo-argumente.com/artikel/die_oscars_sind_nicht_rassistisch
Das hindert viele Qualitätsmedien aber nicht daran auf den Rassismus-Zug aufzuspringen:
- Spiegel: Oscars 2016: Talentiert, schwarz, unerwünscht
Die Oscar-Verleihung offenbart Hollywoods dunkle Seite: Bis heute diskriminiert die Filmbranche Schwarze und andere Minderheiten.
Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/kino/oscars-rassismus-in-hollywood-talentiert-schwarz-unerwuenscht-a-1079497.html - Süddeutsche: Weißer Oscar
Die nominierten Schauspieler sind alle weiß, das Bürgerrechtsdrama “Selma” über Martin Luther King wurde fast ignoriert – die Oscars haben ein Problem
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/rassistischer-academy-award-weisser-oscar-1.2306956 - Deutschlandfunk: #OscarsSoWhite: Der Rassismus in der US-Filmbranche
Zum zweiten Mal in Folge sind nur weiße Schauspielerinnen und Schauspieler für den Oscar nominiert. Die Academy ist aber eher Symptom als Ursache des Problems. Wie der unterschwellige Rassismus der Filmbranche zu spüren ist – und was man dagegen tun kann.
Quelle: http://www.deutschlandfunkkultur.de/oscarssowhite-der-rassismus-in-der-us-filmbranche.979.de.html?dram:article_id=346511
Von 10 Nominierten müssten also im Schnitt 1,25 schwarz sein. Da kann es natürlich vorkommen, dass eben auch mal keine schwarzen Künstler dabei sind. Daraus dann ein “System” zu machen, ist schon reichlich weit hergeholt. Die Überzeugung, dass wir in einer durch und durch ungerechten und faschistoiden Gesellschaft leben, kann eben auch zur “fixen Idee” werden. Es soll ja gar nicht bestritten werden, dass es Rassismus und Ungerechtigkeit gibt, aber man sollte nicht alle Fortschritte, die ohne Zweifel gemacht wurden, komplett unter den Tisch fallen lassen.