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ArtificialStupidity - Künstliche Dummheit


19. Januar 2022

Neulich bei Bauerfeind: Da stelle ma uns mal janz dumm!

Neulichabend bei Bauerfeind („Die Show zur Frau“): Die Damen Weisband (Grüne) und Kinnert (CDU) hellsehen die akuten Probleme des Schulsystems.

Was heißt heute Bildung? (S05/E03) 13.10.2021 ∙ Bauerfeind – Die Show zur Frau ∙ ONE, Gästinnen [sic!]: Marina Weisband und Diana Kinnert.

Sendungslink: hier.

Screenshot (one/ARD).

Teaser der Sendung:

‚Bildung für alle‘ war lange ein Motto von Angela Merkel. Eigentlich eine Formel aus dem 19. Jahrhundert, und damals wie heute ein Versprechen, dass es ‚die Kinder einmal besser haben‘. Aber, Bildungsrepublik hin oder her: Das obere Zehntel der Gesellschaft besitzt zwei Drittel von allem, die untere Hälfte fast nichts. Viele Eltern glauben mittlerweile nicht mehr daran, dass der Staat sein Bildungsversprechen einhalten kann. Deswegen gibt es zunehmend mehr Privatschulen, und schon in den Kitas lernen die Kleinen Mandarin.

Die 30 Minuten Sendung sind ein maschinengewehrartiges Nachquatschen der bildungsbezogenen Inhalte des pädagogischen, philosophischen oder politikwissenschaftlichen Studiums einer beliebigen deutschen Universität: Sinnstiftung, Selbstwirksamkeit, wir brauchen gar keine Fächer, wir brauchen Projekte, offener Unterricht, offene Schule, Ganztagsschule, mitbestimmende demokratische Schule, 3er Schulsystem abschaffen, bla bla bla. Dabei gibt es kaum Widerspruch oder Debatte, die Damen sind sich in den Punkten überwiegend einig. Weil sie sich gar nicht zuhören, geschweige denn überhaupt über das Gesagte nachdenken.

Klopfen wir einige Aussagen des Teasers mal nacheinander ab:

Das obere Zehntel der Gesellschaft besitzt zwei Drittel von allem, die untere Hälfte fast nichts.

Stimmt. Aber: Das obere Zehntel der Gesellschaft zahlt aber auch 50% der Einkommenssteuer und 41% des Haushalts 2020 gehen in den Sozialstaat.

[…] Deswegen gibt es zunehmend mehr Privatschulen […]

 

In den letzten 6 Jahren ist die Anzahl der Privatschulen nahezu gleich geblieben.

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/954564/umfrage/private-schulen-in-deutschland/

Privatschulstatistik – Schülerzahl an Privatschulen mit über einer Million weiter konstant

Quelle: https://www.vdpnord.de/presse/309-privatschulstatistik-schuelerzahl-an-privatschulen-mit-ueber-einer-million-weiter-konstant.html

Fazit: Von einer Flucht auf Privatschulen kann nicht die Rede sein.

Frau Bauerfeind im Teaser:

[…] und schon in den Kitas lernen die Kleinen Mandarin.

Scheint ja ein riesen Problem zu sein: Migranten aus dem Orient, die bei der Grundschul-Einschulung teilweise kein einziges Wort Deutsch sprechen, stoßen auf Kartoffelkinder die Deutsch und Chinesisch sprechen:

„Das Glückskinderhaus“ ist die erste zweisprachige deutsch-chinesische Kindertagesstätte in Deutschland.

Quelle (Hervorhebung von mir): https://www.eltern.de/kleinkind/kinderbetreuung/deutsch-chinesischer-kindergarten.html

Fazit: Quatsch.

Ich spare mir die weitere Besprechung der anderen Aussagen aus dem Teaser. Man sieht aber schon deutlich, auf welchem Niveau das Ganze alsbald zu stranden droht.

Frau Bauerfeind leitet ein:

[04:09] Eine Schulklasse in den 50ern unterscheidet sich nicht so sehr von einer Schulklasse heute. [zustimmendes Nicken bei den Damen] […] Die alte Bildung hat also ausgedient.

Schulklasse 1955:

Quelle: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/wer-erinnert-sich-an-die-schule-art-8176910

Schulklasse heute:

Quelle: https://www.welt.de/sonderthemen/medienkongress/article161134450/Das-steht-doch-alles-bei-Wikipedia.html

Also alles gleich: Eckiger Raum, Bilder an den Wänden, Tische. Und „alte Bildung“, kann weg. Also Aristoteles, Pythagoras und Kant sind out, in ist TikTok-Lehre und Popo-auf-Instagram-zeigen.

Kommen wir zur perfekt gendernden Frau Weisband. Sie macht zur Begrüßung Namasté. Ich ziele sehr ungern auf Äußerlichkeiten, aber Frau Weisband wirkt auf mich im ersten Eindruck wie eine Sannyasin mit Soziologiestudium die gerade einen Intensivkurs in Gebärdensprache abgeschlossen hat.  Vielleicht hatte sie auch einen Studierendenjob als FlugzeugeinweiserIn, man weiß es nicht. Frau Weisband und das 1. Problem des Bildungssystems:

[04:39] 13 Jahre Beobachtungslernen, wie der Lehrerberuf aussieht. [aka: „Teachers teach the way they were taugh“]

Also, anders formuliert: Lehrer sind für Studieninhalte nicht aufgeschlossen, sie greifen in ihrer Didaktik/Methodik (ausschließlich) auf eigene Erfahrungen als Schüler zurück. Gibt zu dieser These auch andere Meinungen, z.B. im Paper: „Perceptions and Influences Behind Teaching Practices: Do Teachers Teachers Teach as They Were Taught?“ von Stephanie Elizabeth Cox:

This finding does not support our hypothesis that teachers teach the way they were taught.

Quelle (Hervorhebung von mir): https://scholarsarchive.byu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=6300&context=etd

Frau Weisband und das 2. Problem des Bildungssystems:

[04:52] Das die Bildungsadministration ein System ist, das hat gar nichts mit den Beamten selbst zu tun, aber, das ist ein System, das darauf aus ist, so zu bleiben wie es ist, keine Veränderung zu zulassen und keine Verantwortung zu tragen.

Unklar, was jetzt Bildungsadministration sein soll und vor allem, was daran verändert werden sollte. Kultusministerium? Schulbehörde? Lehrplan? Seit den 70er-Jahren jagt ein didaktischer Paradigmenwechsel den nächsten. Da mag sie vielleicht ja auch recht haben, aber was konkret gemacht werden sollte bzw. was konkret dabei schiefläuft, darauf geht sie nicht ein.

Frau Bauerfeind meint nun, dass man zu wenig Geld für Bildung ausgibt, wenn man sich die Ausgaben für Rüstung anschaut (Bildungsausgaben 2020: 158,6 Milliarden €, Rüstungsausgaben 2020: 52,8 Milliarden $, bzw. 45,28 Milliarden €). Dazu Frau Kinnert (stets mit Hut):

[06:30] Ich finde auch die Beobachtung richtig, dass sich viele andere Lebenswelten radikal verändert haben, das Schulsystem nicht richtig. Das passt aber zu dem, wie Politiksysteme an sich funktionieren, wie auch die Ministerien seit Jahrzehnten im Prinzip die gleichen sind; die gleichen Abteilungen, die gleichen Referenten. D.h. Es hat ’ne Art mit Reformstau zu tun, auch in der Verwaltung.
[…]
Aber ich finde schon, dass sehr vieles, auf das Deutschland ausgerichtet ist, nachvollziehbarerweise mit Stabilität und Verlässlichkeit zu tun hat, die Marke „Made in Germany“ hat ja auch viel mit Organisation, mit Präzision, mit Verlässlichkeit zu tun. Aber ’ne neue Welt verlangt Agilität, verlangt Anpassungsfähigkeit. Und wenn man junge Menschen, auch als Bürger, als Demokraten nicht verlieren will, dann muss man es schaffen, ihnen Systeme oder auch Mechanismen an die Hand zu geben, die sie befähigen. Das ist ein wichtiger Anspruch.

Die Idee, alle 10 Jahre die gesamte Schulverwaltung auszutauschen, finde ich ganz gut. Das war aber gar nicht die Frage. Also eine erfahrene Politikerin, die Frau Kinnert. Im zweiten Teil ihrer Antwort schwingt ja auch eine kleine Prise CDU-Content mit.

Frau Bauerfeind:

[07:49] Die Idee, gleiche Bildung für alle, bedeutet am Ende gleiche Chancen für alle. Dieses Versprechen, das es ja mal gab, gilt das nicht mehr?

Hei: Gleiche Bildung für alle? Wann war das denn und wer hat das denn versprochen? Einheitsschule?

Frau Weisband fordert:

[08:27] Dabei wissen wir eigentlich aus der pädagogischen Psychologie schon sehr lange, wie bessere Bildung funktionieren könnte. Das z.B., wenn wir das dreigliedrige Schulsystem auflösen würden, nicht nur die SchülerInnen aus den Realschulen jetzt profitieren würden, sondern auch die, die jetzt in den Gymnasien sind und sogar in den Privatschulen. Weil, die Durchmischung von verschiedenen Kompetenzen, das Lernen durch Lehren gerade das ist, was ein viel stärkerer Motivator ist.

Also doch Einheitsschule (Bildungssystem in der DDR).

Frau Weisband:

[11:06] Bildungsinvestitionen zahlen sich unendlich aus. Das sind mit die effektivsten Investitionen. Aber, sie zahlen sich nach rund 20 Jahren aus.

Also, je mehr man für Bildung ausgibt, um so besser? Gegenbeispiel: Pisa-Rang Berlin:

Quelle: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article11578237/Bildungspolitiker-haben-das-Gymnasium-ruiniert.html

Und jetzt (Tada!) die Bildungsausgaben in Berlin:

Quelle: https://www.welt.de/wirtschaft/article173856860/Bildung-So-teuer-kommt-den-Staat-jeder-Schueler.html

Wahrscheinlich kommt es in Berlin bald zur unendlichen Auszahlung der Investitionen.

Screenshot (one/ARD).

[24:09] Mir sieht diese Grafik sehr kapitalistisch aus.

Ach?

Frau Weisband fordert:

[28:35] Digitalisierung ist Beziehungsarbeit. […] Mein Traumkonzept wäre die „Volkshochkneipe“ in der Innenstadt [Lehrmaterialien, Garten, Create-Lab, Kaffee, Drinks, Spaß].

Frau Weisbands Fazit:

[26:18] Dark [sic!] gesagt: Wir kommen in eine Gesellschaft, in der wir nicht mehr den Herausforderungen der Umwelt gewachsen sind. Wir haben mit dem Klimawandel, mit Digitalisierung, mit Globalisierung eine unklare Zukunft. Und wir brauchen Menschen, die sich in unklarer Zukunft zurechtfinden, die handeln können. Wenn wir eine erwachsene Generation haben, die insgesamt kaum handeln kann – es wird immer die paar wenigen geben die es können – die werden Macht an sich reißen, Ressourcen an sich reißen. So Gott will, sind sie gutmütig und versuchen diese Welt zu retten.

Meine Kritikpunkte: Tja, wenn die ganze Linkspädagogik mal von ihren Trips wie „Erziehung ist Gewalt oder so“ und „konstruktivistische Lerntheorie“ herunterkommen würde, ja dann …! Problematisch sind m. E. die beständig schrumpfenden Anforderungen an Schüler, um bloß niemanden zu frustrieren und alles mit „Spaß“ und „Motivation“ zu kontaminieren. Ferner gilt: Die Kohle allein macht’s nicht, wie man am Beispiel Berlin deutlich sieht.

Fazit: Ich glaube, dass dieser elaborierte Quark, den Frau Weisband hier unwidersprochen absondert, eines der wirklichen Probleme des Schulsystems ist: Die bunte Palette der Buzzwords aus dem Antiquariat der sozialistischen Bildungsalchemie, denn: je linker die Schulpolitik, umso bescheidener sind in der Regel die Bildungserfolge. Ich finde es auch bemerkenswert wie es die Damen schaffen, so entschlossen aneinander vorbei zu reden und eine solchen Gleichklang bei eigentlich völlig unterschiedlichen Positionen (CDU vs. Grüne/SED) zu bewahren, da kommt richtig Kaffeekränzchen-Atmosphäre auf. Wenn Frau Weisband sinnbildlich als Melone beschrieben werden könnte: Also außen grün und innen rot, ist dann Frau Kinnert die Avocado: Außen schwarz (für CDU) und innen grün. Den Damen ist eins gemein: Man hört sich selbst gerne reden, schön, dass wir alle unsere Vorurteile bestätigen konnten.